Diskret konkret
Der Schaffhauser Carlo Domeniconi setzt in seinem neusten Werk die abstrakte Serie der Gitterbilder fort
und entwickelt jene der Janusköpfe weiter. Gleichzeitig malt Domeniconi nach jahrelanger Pause wieder gegenständlich: Zu entdecken sind etwa Blüten, heitere Selbstportraits – und ein sagenhafter Reigen hunderter kleinformatiger Bilder.
Reine Malerei, frei von Anekdoten – von diesem Ziel angetrieben, kündigte sich im Werk des 1951 in Schaffhausen geborenen Carlo Domeniconi die Ab- wendung vom Gegenständlichen über Jahre nach und nach an, 2006 erfolgte die Abkehr dann radikal. Von nun an stand das Urelement der Malerei im Zentrum von Domeniconis Schaffen: der Strich, die Linie, nichts als Linien. Aber was für Linien! Auf eine Weise umgesetzt und angeordnet, dass vor dem Auge zig Ebenen entstehen, erzielen diese Strukturen einen Sog, der einen tief in die Bilder hineinzieht, man regelrecht hineingreifen und eintauchen möchte. Welch ein Effekt, wenn man bedenkt: Es sind doch nur Linien. Diese verblüffende Serie setzt Domeniconi in seinen neusten Arbeiten fort – in kleinerem Format und somit etwas intimer, aber nicht weniger verblüffend.
Einen ähnlichen Weg beschreitet Domeniconi mit der Folge der Janusköpfe, in der er sich, dem Prinzip des Dualen folgend, auf zwei kontrastreiche Farben be- schränkt. Der Vergleich mit früheren Arbeiten dieser Serie offenbart, dass Domeniconi es schafft, die Ab- straktion mittels präziser Symmetrie weiterzutreiben und das an sich erst einmal nicht sehr ergiebig scheinende Thema stets aufs Neue zu variieren.
Geradezu überraschend sind Domeniconis Arbeiten, in denen die reine Abstraktion wieder in den Hintergrund rückt, ohne dass sie sich als gegenständlich im klas-
sischen Sinn bezeichnen liessen. So sind auf den beiden gut fünf Quadratmeter grossen Werken «Nature Morte» zum einen Blüten, zum anderen Käfer zu sehen – hinsichtlich der beim Betrachter ausgelösten Gefühle ein Kontrast par excellence und somit auch ein Sinnbild dafür, worum es Domeniconi mit seiner Auffassung der «reinen Malerei» geht: nicht um ein intellektuelles Konzept, um eine künstlerische Masche – sondern um die Empfindung.
Die humorvolle wenn nicht gar selbstironische Seite seines Schaffens zeigt Domeniconi in den beiden Serien «Die 7 Leben des Malers» sowie «Bildnis des Malers»: Zunächst wie Farbpaletten und -kleckse wirkend, entpuppen sich die Arbeiten als fast schon surrealistische Masken und Profile, mal mit monströser Nase und grimmigem Blick, mal grinsend, mal clownesk – und immer sehr amüsant zu betrachten.
Domeniconis schiere Lust am kraftvollen Ausdruck schliesslich ist im hinteren Raum des Galerie-Unter- geschosses zu entdecken – ein eigentliches Kabinett seines Tatendrangs mit hunderten kleinformatiger Werke in etlichen Techniken, entstanden über die vergangenen gut 15 Jahre, so sinnlich und reichhaltig, dass man unweigerlich eintaucht und versinkt.
T. Rabara