Licht ins Dickicht

Wald, gemalt: Der junge Schweizer Künstler Ron Temperli stellt sein neustes Werk in Schaffhausen aus. Mit zumeist eigens für die Räumlichkeiten der Galerie Mera geschaffenen Wald-Bildern erforscht er die installative Malerei – so etwa anhand von Arbeiten, die mit fluoreszierender Farbe gemalt sind.

Der Winterthurer Ron Temperli, Jg. 1975, hat eine bemerkenswerte Entwicklung hinter sich. Schon 2001, kurz nach Abschluss des Kunststudiums an der F+F Schule für Kunst und Mediendesign Zürich, widmete ihm das Kunsthaus Thun im Raum «enter» eine Einzel-ausstellung. Etliche Auftritte in der Schweiz folgten, worauf ihm die Stadt Winterthur den Förderpreis 2007 zusprach. Seither war er an Ausstellungen unter anderem in der Kartause Ittingen, im Centre PasquArt und in München beteiligt.

Sich zunächst der Malerei widmend, begann Temperli
im Jahr 2006, mit und an Objekten zu arbeiten. In der Galerie Mera verbindet er nun die beiden Disziplinen und experimentiert mit den Möglichkeiten, das Bild in den Raum zu erweitern. Auslöser dieses Entwicklungs- schritts waren grossformatige Werke, die Temperli
für die Lichttage in Winterthur schuf: Motive aus dem Wald, gemalt mit fluoreszierender Sicherheitsfarbe. Im Tageslicht unscheinbare Holzpaneele, geben die Bilder ihr Motiv im Dunkeln preis. Aufklärung dank Düsternis also – ein Schauspiel, das, kaum findet man sich zu- recht, seine Leuchtkraft verliert und man zurück in der Realität landet.

Eine weitere Ebene von Temperlis Suche nach neuen Wegen stellt etwa das Bild dar, das er nach Betrachtung des Zusammenspiels der ganzen Werkgruppe wieder und wieder übermalt und schliesslich mit silbriger Chromfarbe bearbeitet hat. Das ursprüngliche Motiv ist kaum noch zu erahnen, bietet nun aber Reflexionsraum für die in der Nähe gehängten Bilder – aus dem klassischen Werk ist ein Bildspiegel geworden, ergänzt durch die eigene, gerade noch durchscheinende Textur.

Jedes Bild vermag indes ohne weiteres auch für sich allein zu fesseln, ob es sich nun um die flirrenden Werke handelt oder jene kleineren, die von gedämpfter Zurück-haltung zeugen. Flüchtig betrachtet wie Fotografien wirkend, entfalten die gezielt eingesetzten Unschärfen

und Verschiebungen im Motiv sogleich eine Tiefe, die den Betrachter wie ein Sog förmlich in sich hinein zieht. Mittels dieser minimalen Eingriffe fern des Vorhandenen macht Temperli aus Realem eine Illusion und bannt auf der Leinwand den zuweilen schmalen Grat zwischen Sein und Schein. Einen simplen optischen Konsum lassen diese Bilder nicht zu.

Und so spielt Temperli mit Erwartungen, überträgt sie oder legt sie übereinander, lässt ein Panoptikum ent- stehen und überrascht den Betrachter Mal für Mal. Auch sich selber, denn das Typische in seiner Methode besteht darin, den Zufall zuzulassen – und zu schauen, was dabei herauskommt. Diese Impulse können zum Beispiel von solch profanen Dingen ausgehen wie einem Pinsel, der mit der steten Benützung stumpf wird und seinen Strich verändert.

Quelle von Ideen ist immer auch der Gang von Bild zu Bild mit der Frage im Hinterkopf, wie die Wahrnehmung eines Werkes auf ein anderes wirkt. Solcherart zu Einfällen verführt und Reflexen herausgefordert, tastet Temperli ein Motiv auf seine Wirkung ab. Er verändert es oder greift es in einer neuen Arbeit auf und exerziert es durch mittels Abwandlung, Abstraktion, neuer Ein-ordnung – das silberfarbene Bild als Bildspiegel ist auf diese Weise entstanden. Dieses konsequente und stets forschende Vorgehen macht Temperli zweifellos zu einem Versprechen für die Zukunft.

Bemühungen, ihn zu verorten, entzieht er sich. Seine Versuchsanordnung von Bild, Raum, Zufall und Be- trachter sei nicht zu definieren, das Resultat beim Anfangen immer offen, die Synthese nicht endgültig zu charakterisieren. Jedes Werk entsteht aus einem ihm ureigenen Kontext. Oder anders gesagt: «Ich glaube, dass es etwas gibt, das der Malerei eigen ist, viel eher ihr Wesen ist (…), das nicht mit Worten gesagt werden kann. Falls dies zutrifft, ist jeder Versuch, sie mit Theorien einzufangen, gänzlich unzureichend.»

Und wie ist er auf den Wald als Motiv gekommen? Temperli entschied sich für etwas Organisches, das ein Gefühl der Vertrautheit auslöst, sich also nicht aufdrängt, aber auch nicht erst eigens ergründet werden muss – einzig das schafft den Raum für das Entdecken des Ganzen.

T. Rabara