scher Manier auf die Rückseite von Glasscheiben
gemalt – es ist prächtig anzuschauen, wie Richard
Tisserand (*1948 in Eschenz) die Malerei in der
Gegenwart verankert und Motiv wie Technik in den
Dienst des Vor-Augen-Führens dessen stellt, was
wir sehen, aber kaum wahrnehmen: Dass wir die
Welt mehr und mehr durch Displays hindurch er-
fahren, die Nähe und Authentizität suggerieren.
Die flirrenden Paris-Ansichten, der tosende Rheinfall,
die weite Bodensee-Landschaft: Alles erhabene Pano-
ramen und mit einer lockenden Brillanz, die das Glas
ihnen verleiht. Aus der Nähe betrachtet lösen sich diese
Ikonen indes in Pixel auf. Da ist nichts Schönes mehr –
bloss ein Verweis darauf. So wie alles auf Bildschirmen
ein Verweis auf Vorhandenes und Geschehenes ist.
Zwar mit einer Aura des Wahren, aber doch reprodu-
zierbar, manipulierbar und somit nicht zu fassen.
Auf dieses so zentrale wie verführerische Phänomen der
Gegenwart spielt Tisserand an: Sein Werk lässt sich als
Plädoyer fürs Abstand-Gewinnen und für mehr Überblick
verstehen – dafür, die Perspektive zu variieren, sich sel-
ber ein Bild zu machen. Jeder Schritt rückwärts bringt einen näher ans Werk und öffnet einem die Augen fürs
grosse Ganze. Oder umgekehrt: Je näher man kommt, desto stärker verschwimmt alles, wird abstrakt, ergibt keinen Sinn. Und so heroisch und verlockend, ja idyl-
lisch das Bild auch sein mag – wir kommen nicht ran,
die Idylle ist unerreichbar, selbst wenn man sie vor Au-
gen hat. Denn hinter Glas bleibt Hinterglas.
Eine zusätzliche Dimension erhält das Ganze, indem Tisserand den Prozess umkehrt. Bedingt durch die Technik der Hinterglasmalerei arbeitet er sich nämlich rückwärts vor: Der Betrachter nimmt die als erstes auf-
getragene Farbschicht am stärksten wahr, deren Zu-
sammenspiel mit den folgenden Schichten das Werk
erst die verblüffende Tiefe verdankt. Vor allem jedoch befindet sich hinter Tisserands Glas ein Original, ein analoges Unikat, in akribischer Arbeit auf Knien gemalt – womit er aus der Aura des Wahren eine Tatsache macht. zurück
HINTERGLASMALEREI – RICHARD TISSERAND
Buchvernissage am Freitag, 12. September
in der GALERIE mera mit einer Einführung durch
Nils Röller, Professor an der ZHdK, Träger des
ZKB-Schillerpreises 2014 und Verfasser
des Essays in der Monographie über Richard Tisserand
Verlag: Edition Clandestin, Biel
herausgegeben von der GALERIE mera
und Richard Tisserand
120 Seiten, 28.5 x 20 cm, dt./engl./frz.
ISBN: 978-3-905297-57-7
parallel erscheint eine Sonderedition,
nummeriert 1/20 bis 20/20 mit
je einem Original Richard Tisserands
Bestellung zum Subskriptionspreis
(bis 30. August)